"Wunderfaser" wurde Asbest lange genannt, denn das faserförmige Silikat-Mineral ist hitze- und säurebeständig und dämmt hervorragend. Doch wegen der inzwischen eindeutig festgestellten Gesundheitsgefahren, die von Asbest ausgehen, ist seit 1993 hierzulande die Verwendung von Asbest verboten. Die fachmännische Entsorgung ist für Hauseigentümer oft sehr kostspielig. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Vermieter gegenüber ihren Mieter nicht die möglichen Gesundheitsschäden aus Asbest tragen müssen, wenn das Gesundheitsrisiko verschwindend gering ist.

Der Fall: Asbesthaltige Bodenplatten in der Wohnung

Seit 1998 wohnte eine Familie in einer Berliner Wohnung, die seit Mietbeginn mit Flexplatten ausgestattet waren. Über diesen asbesthaltigen Vinylplatten hatte der Vater der Familie einen Teppichboden verlegt, der sich sieben Jahre nach dem Einzug im vorderen Teil des Flurs gelockert hatte. Der Mieter entfernte in diesem Bereich den Teppich und bemerkte, dass die darunter befindlichen Flexplatten teilweise gebrochen waren und offene Bruchkanten aufwiesen. Er informierte die Vermieterin Ende Juli 2005, worauf diese die beschädigten Flexplatten einem Monat später von einem Handwerker austauschen ließ. Danach verlegte der Vater über den ausgetauschten Flexplatten einen neuen Teppich.  Erst ein knappes Jahr später erfuhr die Familie, dass die Flexplatten asbesthaltiges Material enthielten.

Mieter-Kinder versuchen Jahre später Vermieterin haftbar zu machen

Die Kinder des Mieters, die zum Zeitpunkt des Austausches der Platten noch nicht volljährig waren, strengten sieben Jahre nach dem Austausch eine so genannte Feststellungsklage gegen die damalige Vermieterin ihres Vaters an. Sie versuchten, sie damit für eventuell spätere Gesundheitsschäden haftbar zu machen. Konkret sollte sie verpflichtet werden, den Kindern des Mieters alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihnen aus der Gesundheitsgefährdung, die durch den Asbestkontakt in den Mieträumen bereits entstanden sind oder als Spätfolgen noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger zu übertragen sind.

Bundesgerichtshof: Klage wegen geringen Gesundheitsrisikos unzulässig

Nachdem das Amtsgericht Charlottenburg die Feststellungsklage abgewiesen hatte, gingen sie vor dem Landgericht Berlin mit Erfolg in Berufung. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 2. April 2014 – VIII ZR 19/13) entschied nun, dass die Klage unzulässig ist, weil unter den besonderen Umständen des Falles das „erforderliche Feststellungsinteresse“ fehlt.

Die Karlsruher Richter beriefen sich bei ihrer Urteilsbegründung auf die Aussagen eines bereits vom Amtsgericht beauftragten Professors für Arbeits- und Sozialmedizin. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass das Risiko der Kläger, in Zukunft an einem Tumor zu erkranken, der auf die Pflichtverletzung der Vermieterin beim Umgang mit Asbest zurückzuführen ist, minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liege. Aufgrund der anzunehmenden Exposition der Kläger mit Asbestfasern, die im Niedrigdosisbereich liege, sei diese als "sehr sehr gering" anzusehen. Mit einer Tumorerkrankung sei "nicht zu rechnen". Deshalb, so die Richter, bestehe kein Grund, mit einem zukünftigen Schaden zu rechnen.

Tipp an Vermieter

In einem anderen Fall hatte das Landgericht Berlin (LG Berlin, Urt. v. 27.10.1998 - 65 S 223/98) wegen einer gebrochenen Asbestfliese in einer Mietwohnung dem Mieter eine Mietminderung von zehn Prozent zu gesprochen. Andere Gerichte (AG Heidelberg, 08.05.1996 - 62 C 63/95, LG Hannover, 30.05.1997 - 8 S 203/96; LG Dortmund, 16.02.1994 - 11 S 197/410) sprachen Mietern im Fall von asbesthaltigen Nachtspeicheröfen eine Mietminderung zwischen 17 und 50 Prozent zu. Asbest findet sich vor allem in Gebäuden, die in den 1960er- bis 1980er-Jahren errichtet wurden. Asbest kann in Abwasserrohren, Balkonbrüstungen, Blumenkästen, Fassadenplatten und besonders häufig in Fußbodenbelägen enthalten sein. Nach Schätzungen des Berliner Mietervereins (BMV) sind allein in Berlin in mindestens 70.000 Wohnungen solche Bodenbeläge zu finden. Vermietern mit Asbest in der Mietwohnung empfiehlt sich daher, diese Stoffe durch Experten zu entsorgen. Informationen über entsprechende Firmen geben häufig die Stadtverwaltungen oder die Landratsämter.

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