Ambitionierte Klimaziele und stark gestiegene Energiekosten: Der Bedarf an Sanierungsmaßnahmen im Gebäudebestand ist so hoch wie nie. Dennoch werden aktuell weniger Häuser energetisch in Schuss gebracht als notwendig wäre. Das serielle Sanieren könnte dem Sanierunsgsstau einen Schub geben.

importantpoints
Das Wichtigste in Kürze
  • Serielle Sanierung funktioniert ähnlich wie serielles Bauen. Bauteile werden vorproduziert und vor Ort montiert.

  • Serielle Sanierung ist kostengünstiger und schneller als herkömmliche Sanierungsmaßnahmen.

  • In den Niederlanden sind bereits mehrere tausend Gebäude seriell saniert worden.

Serielle Sanierung: Was ist das überhaupt?

Serielles Bauen ist schon seit Jahren bekannt. Man denke nur an die typischen Plattenbauten im Osten Deutschlands. Auch Fertighäuser sind sehr beliebt. Die serielle Sanierung hingegen ist in Deutschland weitestgehend unbekannt. 

 

Dabei ist das Grundprinzip dem seriellen Bauen sehr ähnlich: Module für Fassade, Dach und Haustechnik werden in der Fabrik vorgefertigt, anschließend zur Baustelle gebracht und dort montiert. Es wird nicht Stück für Stück zusammengesetzt, die Teile werden stattdessen bereits in größeren Modulen geliefert.

 

Ziel ist es, die Zeit der Sanierung zu verkürzen und die Kosten zu senken. So können beispielsweise auch bewohnte Gebäude saniert werden, ohne dass ein kurzzeitiger Umzug notwendig wird.

Energiesprong: Die Niederlande zeigen, wie es geht

Das Energiesprong-Verfahren geht noch einen Schritt weiter. Ziel ist es, mithilfe der seriellen Sanierung, den sogenannten NetZero-Standard zu erreichen. Vorreiter von Energiesprong (deutsch: Energiesprung) sind die Niederländer. Hier wurden bereits mehr als 5.000 Wohnhäuser auf diese Weise saniert. Auch Frankreich und Großbritannien haben bereits einige Erfahrung mit dem Energiesprong-Verfahren sammeln können.

 

In Deutschland setzt sich die Deutsche Energie-Agentur (dena) dafür ein, Energiesprong bzw. generell das serielle Sanieren zu etablieren. Ziel ist es, mehrheitlich auch Mehrfamilienhäuser schnell und kostengünstig zu sanieren und das Verfahren in der Bauwirtschaft attraktiv zu machen. 

 

Um das zu erreichen, muss das Verfahren nicht nur bekannt gemacht werden, sondern auch an deutsche Regulierungen angepasst werden. Bei Unternehmen muss das Interesse geweckt werden, sodass diese Produkte und Dienstleistungen entwickeln und vorantreiben. Auch Eigentümer:innen müssen für das Thema sensibilisiert werden, sodass sie bei anstehenden Sanierungen auf Energiesprong zurückgreifen.

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Was bedeutet NetZero?

Der NetZero-Standard ist dann erreicht, wenn das Gebäude eine energetisch ausgeglichene Jahresbilanz aufweist. Der NetZero-Standard wird im deutschen auch als Nullernergiehaus bezeichnet. 

So funktioniert das serielle Sanieren

Die serielle Sanierung zeichnet sich durch Vereinheitlichung, Standardisierung und Skalierung aus. Digitale Technologien unterstützen das Ziel und machen die serielle Vorfertigung der Einzelteile überhaupt erst möglich. Zudem bieten sie die nötige Flexibilität, um spezifische Anpassungen vornehmen zu können.

 

1. Digitales Aufmaß

Grundlage für jede serielle Sanierung ist das gründliche Vermessen des Objekts. Mithilfe von 3D Laserscans und Drohnen wird das Gebäude innen und außen komplett erfasst und digital abgebildet.

 

Das digitale Vermessen geht nicht nur schnell, sondern ist auch besonders exakt. Die Genauigkeit wird im Millimeterbereich oder sogar darüber hinaus angegeben. Das ist manuell nicht zu schaffen.

 

2. Digitale Planung

Die digitale Abbildung des Gebäudes dient schließlich der Planung, was genau wie saniert werden soll. Hilfreich bei der Planung ist außerdem das sogenannte Building Information Modelling (BIM). In dem erstellten Modell werden sämtliche Daten des Gebäudes gesammelt. Diese können immer wieder genutzt werden. Ein erneutes Vermessen ist nicht mehr nötig.

 

3. Modulare Vorfertigung

Durch das exakte Modell können anschließend die Fassaden, Dächer und andere Gebäudeteile passgenau angefertigt werden. Auch im Innenbereich sind vorgefertigte Lösungen denkbar: Photovoltaik-Anlagen und Heizsysteme wie Wärmepumpen können ebenso für die spätere Montage vorbereitet werden.

 

4. Bau & Montage

Die Montagezeit wird durch die serielle Sanierung deutlich reduziert. Die Elemente werden per Baukran an die richtige Stelle gesetzt und dort manuell montiert. Die Sanierung der Gebäudehülle ist auf diese Weise sogar ohne Beeinträchtigung der Bewohner:innen möglich. 

 

Arbeitsschritte im Einzelnen:

  • Baugerüst aufstellen

  • Halterungen anbringen

  • Fenster und Türen ausbauen

  • Dachstuhl freilegen

  • Vorgefertigte Teile in Position bringen und montieren

 

Die Sanierung der Anlagentechnik ist hingegen etwas aufwendiger.

In den Niederlanden wurden bereits verschiedene Module für die Energieversorgung konzipiert. Diese beinhalten zum Beispiel:

 

  • PV-Umrichter

  • Lüftungsanlagen

  • Warmwasserbereitung

  • Heizsysteme (Wärmepumpe oder Gastherme) 

 

Wichtig bei der seriellen Sanierung: Die vorgefertigte Anlagentechnik wird neben dem Gebäude oder im Dachstuhl installiert. Auch der Einbau im Keller ist denkbar. Am besten funktioniert die serielle Sanierung der Energieanlagen, wenn bereits ein zentrales Heizungs- und Warmwassersystem vorhanden ist. Dann müssen nur die Anschlüsse ausgetauscht werden.

 

Bei dezentralen Versorgungstechniken gibt es keine Verteilsysteme, die genutzt werden könnten. Aber auch hierfür werden Lösungen entwickelt.

Wofür eignet sich die serielle Sanierung?

Serielles Sanieren ist dann besonders erfolgreich, wenn möglichst viele Bestandteile vorproduziert werden können. Das ist insbesondere bei Mehrfamilienhäusern, Reihenhäusern oder Typenhäusern der Fall.

 

In Deutschland gibt es bislang nur wenige Pilotprojekte. Diese erstecken sich dafür nicht nur auf Mehrfamilienhäuser, sondern auch auf Nichtwohngebäude und Einfamilienhäuser. Aufgrund der Coronapandemie und gestiegener Baukosten sowie etlicher Lieferschwierigkeiten wurden bis Ende 2023 lediglich 2.000 Bauvorhaben mit der seriellen Sanierung realisiert.

Kostenersparnis bei der seriellen Sanierung

Ziel der seriellen Sanierung ist es nicht nur, die Bauzeit zu verkürzen, sondern auch günstiger zu sein als die individuelle Sanierung. Die Kosten können aber erst dann wirklich gesenkt werden, wenn hohe Stückzahlen und automatisierte Vorfertigungen realisiert werden können. Dazu sind noch tausende weitere Gebäudesanierungen nötig. Dennoch zeigt sich bereits jetzt, dass die serielle Sanierung tendenziell weniger Kosten verursacht als andere Sanierungsprojekte.

 

Zudem ist mit weiterem Sparpotenzial zu rechnen:


Sparpotenzial insgesamt 10 - 30 Prozent
Kosten pro Wohneinheit (2010) ca. 120.000 €
Kosten pro Wohneinheit (2019) ca. 70.000 €
Kosten pro Quadratmeter (herkömmliche Sanierung) 500 - 1.400 €
Kosten pro Quadratmeter (serielle Sanierung)
650 - 1.000 €
Quelle: CO2 Online

Prognosen zeigen, dass die Kosten für die serielle Sanierung um zehn bis 30 Prozent sinken werden. In den Niederlanden konnten die Sanierungskosten pro Wohneinheit von etwa 120.000 Euro im Jahr 2010 auf rund 70.000 Euro im Jahr 2019 gesenkt werden.

Förderungen unterstützen das Wachstum der seriellen Sanierung

Das serielle Sanieren hat das Potenzial, dem Sanierungsstau ein Ende zu bereiten und dem Klimaschutz damit einen Schubs zu geben. Doch solange die Kosten nicht deutlich reduziert werden, greift der Staat mit Fördermitteln unter die Arme. 

 

1. Bundesförderung serielles Sanieren durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA):

 

Ziel der Bundesförderung ist in erster Linie die Überprüfung von Machbarkeiten, Forschung und Entwicklung sowie den Aufbau von Produktkapazitäten. Das Förderprogramm richtet sich an Bau-, Zuliefer- und Handwerksunternehmen. Auch Unternehmen mit einem eigenen Gebäudebestand können die Förderung beantragen.

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Hinweis

Die Förderung für serielles Sanieren pausiert gerade. Grund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023, aus dem eine Haushaltssperre resultierte. Aktuelle Informationen findest du hier.

2. Bonus für serielles Sanieren in der Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG)

 

Ziel dieser Förderung ist es, das Interesse und somit die Nachfrage zu steigern. So können die noch hohen Kosten langfristig gesenkt werden. Das BEG wurde zum 1. Januar 2023 überarbeitet. Seitdem können Unternehmen und Privatpersonen einen Förderbonus von 15 Prozent für das serielle Sanieren beantragen. Der Bonus kann mit weiteren Fördermaßnahmen kombiniert werden. Weitere Informationen findest du hier

Serielles Sanieren: Schwierigkeiten beim rechtlichen Rahmen

Eine Studie von CO2 Online zeigt, dass der Erfolg der seriellen Sanierung in Deutschland durch drei Punkte eingeschränkt wird. Diese sind:

 

1. Die Möglichkeiten Kosten für Wärme und Strom abzurechnen sind rechtlich beschränkt.

Photovoltaik bildet einen wichtigen Baustein der seriellen Sanierung. Die PV-Anlage und der Stromverbrauch müsste in der Nebenkostenabrechnung mit Mieter:innen abgerechnet werden können. Generell müssten die Kosten der Sanierung auf Mieter:innen umgelegt werden können. 

 

2. Jedes Bundesland hat eigene Bauordnungen.

Bauordnungen sind Ländersache. Dadurch gibt es viele verschiedene Bauvorschriften, die den länderübergreifenden Einsatz der seriellen Sanierung aktuell unmöglich macht.

 

3. Das Prüfen von Baugenehmigungen dauert lang.

Bauanträge müssen in Papierform oder auf einem Datenträger als PDF-Datei beim Bauamt eingereicht werden. Danach werden sie einzeln händisch geprüft. Das führt zu teils erheblichen Verzögerungen. Ein digitales Verfahren wäre deutlich schneller.

Fazit: Vor- und Nachteile des seriellen Sanierens

Die serielle Sanierung bietet einige Vorteile. Sanierungen können schneller realisiert werden, Bewohner:innen werden durch die Baustelle nur wenig beeinträchtigt und die Kosten werden weiter sinken. Besonders wichtig: Der Klimaschutz wird weiter vorangetrieben. Unterschiedliche Bauordnungen und wenig Erfahrung der Unternehmen sind allerdings Hürden, die es in Zukunft zu überwinden gilt.


Vorteile Nachteile
Zeit- und Geldersparnis insgesamt Hohe Kosten für digitales Vermessen
Höhere Sanierungsrate wenig lokale Anbieter, Verfahren noch unbekannt
Geringe Belastung für Bewohner:innen Noch nicht für alle Geeignet




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Yvonne Häusler
Yvonne Häusler
Expertin für Immobilien & Vermietung

Als Redakteurin für Vermietet.de und ImmoScout24 hat sich Yvonne Häusler über einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren intensiv mit Themen rund um Immobilien und Vermietung auseinandergesetzt. Als Expertin für Immobilienmodernisierung beschäftigt sie sich insbesondere mit der Energiewende, dem Ausbau von Photovoltaikanlagen und Solarthermie. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei stets darauf, komplexe Sachverhalte für die Leser verständlich aufzubereiten.

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