Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem konkreten Fall zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine auf das Wohnverhalten gestützte Kündigung eines Mieters in Bremerhaven Stellung bezogen. 

Ein Mieter aus Bremerhaven lebt seit 1984 in demselben Haus und seit 2001 in der Wohnung, die er nun räumen soll. Sein Mietvertrag enthält eine Bestimmung, wonach die Vermieterin nur in besonderen Ausnahmefällen kündigen kann. Dazu müssen gewichtige berechtigte Interessen es notwendig machen, das Mietverhältnis zu beendigen.

Die Vermieterin ist ein Wohnungsunternehmen, deren Anteile überwiegend von der Freien Hansestadt Bremen gehalten werden. Im April 2022 verursachte der Mieter einen Feuerwehreinsatz, weil er sich – wie von ihm geschildert – auf einer Kochplatte in der Duschkabine eine Mahlzeit zubereitet hatte und dabei über Kopfhörer so laut Musik hörte, dass er den Feueralarm nicht bemerkte. 

Aus dem infolge des Feuerwehreinsatzes erstellten Polizeibericht war ersichtlich, dass sich die Wohnung in einem „katastrophalen Zustand“ befand. Die Vermieterin mahnte ihren Mieter ab und kündigte den Mietvertrag im Juni 2022 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Dazu verwies sie u. a. auf eine Verdreckung, Vermüllung und Zustellung der Räumlichkeiten.

Amts- und Landgericht verurteilen Mieter zur Räumung der Wohnung

Das Amtsgericht Bremerhaven verurteilte den Mieter zur Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Mietverhältnis sei durch außerordentliche Kündigung der Vermieterin beendet worden. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Mieter seine Wohnung in erheblichem Umfang habe verwahrlosen lassen. Auch wenn noch keine Beschädigung der Wohnung festgestellt werden konnte, sei der Eintritt eines Schadens signifikant wahrscheinlicher als bei vertragsgerechtem Verhalten.

Das Landgericht Bremen wies die Berufung des Mieters zurück. Die Vermieterin habe das Mietverhältnis wirksam ordentlich gekündigt. Auch wenn berücksichtigt werde, dass im Hinblick auf Ordnung und Sauberkeit einer Wohnung wegen des grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts der Mietenden eine erhebliche Bandbreite zuzugestehen sei, sprenge die Nutzung der Wohnung durch den Mieter den noch üblichen Rahmen.

Die Wohnung sei – so hatte es das Amtsgericht festgestellt – derart zugestellt und teilweise vermüllt gewesen, dass einige Räume nicht oder nur schwer betretbar waren.  Wenn die Wohnung nicht mehr im erforderlichen Maß gereinigt werden könne, weil hierfür die Flächen nicht begehbar und damit zum Putzen nicht erreichbar seien, folgen daraus drohende Konsequenzen für die Substanz der Wohnung.

Vertreter des Mieters legt Verfassungsbeschwerde ein

Gegen die Entscheidung der Gerichte legte der Vertreter des Mieters eine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung ein, die Gerichte hätten bei der Auslegung und Anwendung von § 543 Abs. 2 Nr. 2 und § 573 Abs. 1 BGB nicht in gebotenem Maß zwischen den Grundrechten des Mieters einerseits und der Vermieterin andererseits abgewogen.

Zudem hätten weder das Amtsgericht noch das Landgericht eine erhebliche Beeinträchtigung der Mietwohnung festgestellt. Die Wohnung sei verfassungsrechtlich als höchstpersönlicher Lebensraum geschützt. 

Damit erzielte er einen Teilerfolg. Das Kammergericht erließ eine einstweilige Anordnung und setzte die Vollstreckung des Räumungsurteils bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens jedoch für sechs Monate aus. Diese einstweilige Anordnung wiederholte die Kammer nochmals für weitere sechs Monate.

Die Räumung verhindern, konnte der Vertreter des Mieters dennoch nicht. Das Kammergericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, mit der Begründung, die Beschwerde habe in der Sache keine Erfolgsaussichten und sei unzulässig. 

Interessen beider Parteien müssen umfassend abgewogen werden

Der Großteil der Bevölkerung kann zur Deckung seines Wohnbedarfs nicht auf Eigentum zurückgreifen, sondern ist gezwungen, Wohnraum zu mieten. Das Besitzrecht der Mietenden erfüllt daher Funktionen, wie sie typischerweise dem Sacheigentum zukommen. Die Wohnung als räumlicher Mittelpunkt freier Entfaltung ihrer Persönlichkeit sowie als Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung, darf den Mietenden nicht ohne beachtliche Gründe durch Kündigung entzogen werden. Auch darf ein Gericht den Mietenden nicht seine persönlichen Vorstellungen von angemessenem Wohnen aufdrängen.

Bevor also davon ausgegangen wird, dass Mietende eine die Räumungskündigung rechtfertigende Pflichtverletzung begangen haben, müssen einerseits das Eigentumsrecht der Mietenden am Besitz der Mietwohnung sowie andererseits das Eigentum des Vermietenden an der Mietsache und deren Beeinträchtigung durch das Verhalten des Mietenden umfassend abgewogen werden.

Die Entscheidung des Landgerichts wird diesen Maßstäben (noch) gerecht. Denn es hat die Kündigung auf drohende Substanzverletzungen der Wohnung gestützt, indem es erklärt hat, die Wohnung könne nicht mehr im erforderlichen Maß gereinigt werden, weil bestimmte Flächen schlicht nicht begehbar seien. Der Mieter habe zudem durch sein Verhalten in der Vergangenheit bereits einen Feuerwehreinsatz ausgelöst und die Vermieterin werfe ihm in verschiedener Hinsicht unkooperatives Verhalten vor.

(BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2025 - 1 BvR 1428/24)


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