Können Mieter nach einer Modernisierung ihre Miete nicht mehr bezahlen, kann eine unzumutbare Härte vorliegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) erörterte aktuell die Frage, nach welchen Maßgaben zwischen den Interessen von Vermieter und Mieter abzuwägen sei.  

Beim BGH landete der Fall eines Mieters, der seit fast sechs Jahrzehnten in einer 86 Quadratmeter großen Wohnung in Berlin lebt. Nach der Modernisierung des 1929 erbauten Mehrfamilienhauses sollte der Arbeitslosengeld-II-Empfänger plötzlich 240 Euro Miete mehr bezahlen.

Für die 574 Euro Miete, die er bisher zahlen musste, erhält er bereits 463 Euro Wohngeld, um die Mietkosten zu decken. Die nun anstehende Mieterhöhung hätte er aus eigener Tasche zahlen müssen. Da er das nicht konnte, machte der Mieter einen Härtefall geltend und stieß damit auf wenig Verständnis der Vermieterin. Sie war vielmehr der Ansicht, dass die Wohnung für einen einzelnen Mieter mit Sozialleistungen zu groß sei.


Der Einzelfall muss geprüft werden

In der Tat gilt derzeit eine Wohnfläche von rund 50 Quadratmetern für einen Einpersonenhaushalt als angemessen, wenn staatliche Transferleistungen gezahlt werden. Dennoch folgt der BGH nicht der Argumentation der Vermieterin. Für die Richter ist eine Wohnung nicht per se zu groß, nur weil die Fläche über den gängigen Vorschriften liegt. Vielmehr müsse der Einzelfall genau geprüft werden. Und hier sei die Verwurzelung des Mieters ein wesentlicher Faktor. Er wohne bereits seit seinem fünften Lebensjahr in dieser Wohnung, die seine Eltern 1962 angemietet hatten. 

Darüber hinaus gilt es abzuwägen, ob der Mieter, der sich einer von ihm nicht beeinflussbaren Entscheidung des Vermieters über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen ausgesetzt sieht, trotz des Refinanzierungsinteresses des Vermieters seinen bisherigen Lebensmittelpunkt beibehalten darf. Dabei sei zu beachten, dass nicht nur der Vermieter, sondern auch der Mieter den Schutz der Eigentumsgewährleistung genießt (Art. 14 Abs. 1 GG). 


LG Berlin muss Ausnahmefälle nachweisen

Der BGH verweist das Urteil an das Landgericht Berlin zurück. Das Gericht hatte geurteilt, dass der Mieter von den ursprünglich 240 Euro Mieterhöhung nur einen Anteil von 4,16 Euro monatlich für die Dämmung der Geschossdecke tragen müsse. An den Kosten für die Dämmung der Außenfassade des Hauses, der Inbetriebnahme eines Fahrstuhls und der Vergrößerung des Balkons müsse er sich nicht beteiligen.

Das Landgericht solle die Fakten noch einmal prüfen. Ein Härtefall greife nämlich nicht, wenn das Gebäude auf einen üblichen Standard modernisiert wurde. Das träfe zu, wenn zwei Drittel des vergleichbaren Gebäudestandards die gleichen Merkmale aufweisen. Konkret solle geklärt werden, ob ein Balkon von fünf Quadratmetern Größe bereits Standard sei. Bisher hatte das Gericht keine tragfähigen Feststellungen zu dieser Frage getroffen.

Bei der Fassadendämmung habe das Gericht verkannt, dass der Vermieter bei der Erneuerung des Außenputzes per Gesetz zwar verpflichtet sei, bestimmte Wärmedämmwerte einzuhalten – den Putz zu erneuern, werde ihm aber nicht auferlegt. Daher dürfe in diesem Punkt ein Härteeinwand des Mieters nicht ausgeschlossen werden. Ein Härtefall käme nur nicht zum Tragen, wenn der Vermieter die Modernisierungsmaßnahmen aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften durchzuführen habe.

Nun ist das Landgericht Berlin wieder am Zug. Es wird nach – gegebenenfalls ergänzendem Sachvortrag der Parteien – die erforderlichen Feststellungen treffen.  

(BGH-Urteil vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 21/1)

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