Am 5. März 2013 hatte das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2457/08) in Karlsruhe ein Urteil verkündet, nach dem kommunale Abgaben zeitlich nicht unbegrenzt nach "Erlangung des Vorteils" der betroffenen Bürger festgesetzt werden können. Das Urteil wirkt sich vor allem auf die Praxis der Erhebung von Anschlussgebühren in Sachsen-Anhalt aus. Dort hatten Gemeinde und Abwasserverbände von Eigentümern erschlossener Grundstücke auch nachträglich die Begleichung von Gebühren erhoben.

Wegen der Verjährungsfrist fordern Gemeinden Herstellungsbetrag II ein

Wenn Kommunen nachträglich Gebühren erheben

Eigentümer sollten Widerspruch erheben, wenn nachträgliche Gebühren gefordert werden.

Aufgrund des Verfassungsurteils hat der sachsen-anhaltische Landtag Ende vergangenen Jahres das Kommunalabgabengesetz geändert. Dieses sieht eine zehnjährige Verjährungshöchstfrist für die Abgabenerhebung vor. Für „Altfälle“ soll die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2015 enden. Damit verbleibt den Aufgabenträgern nunmehr etwa ein Jahr, um Beiträge für Vorteilslagen aus weiter zurückliegenden Jahren noch festzusetzen. Daher fordern nun die Kommunalaufsichtsbehörden, die für Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung zuständig sind, unter den Grundstückseigentümern alte Abgaben („Herstellungsbeitrag II“) ein. Die Altanschlussnehmer zahlen mit diesem "Herstellungsbeitrag II" nicht für die vor dem Jahr 1991 errichteten Altanlagen, sondern anteilig die Investitionskosten, die nach dem Jahr 1991 für die neue oder erneuerte Kläranlage einschließlich der Überleitungsbauwerke angefallen sind. Diese Kosten wurden bisher nur anteilig von denen getragen, die neu an die Kläranlage angeschlossen wurden. Für die Kläranlagen und Überleitungsbauwerke sind allerdings alle Abwassereinleiter heranzuziehen.

Wie Eigentümer auf Bescheide reagieren sollten

Eigentümer, die bereits nach 1991 für den Kanalanschluss ihres Grundstücks bezahlt haben, können nicht nochmals belangt werden. Denn es gilt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Sollten die Gemeinde oder der zuständige Abwasserverband dennoch einen entsprechenden Bescheid ausstellen, sollten Eigentümer dagegen Widerspruch erheben. Nach dem Bescheid muss allerdings innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Stichtag ist dabei das Zustellungsdatum des Bescheids. Der Widerspruch muss schriftlich eingereicht werden, eine Begründung kann später nachgereicht werden. Trotzdem empfehlen Verwaltungsrechtsexperten, den Bescheid unter Vorbehalt zu bezahlen, damit bis zum Eintreffen des Widerspruchsbescheides Zeit besteht, sich rechtlich beraten zu lassen.

Wer daraufhin einen Widerspruchsbescheid erhält, kann dagegen allerdings nur noch Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen. Das muss mit einer Frist von einem Monat, ab Zustellung des Widerspruchsbescheides, erfolgen. Vor dem Verwaltungsgericht können die Eigentümer sich entweder selbst vertreten oder dafür einen Rechtsanwalt beauftragen. Günstig ist es immer, wenn sich mehrere Betroffene zu einer Gemeinschaft zusammenschließen und versuchen, ihr Recht zu erstreiten. Wer sich rechtlich beraten lässt, sollte dafür den Beitragsbescheid, einen Grundbuchauszug zum betroffenen Grundstück, möglichst einen Flurkartenauszug sowie die Satzung des Abwasserverbandes, in der die Beiträge stehen, mitnehmen.

Wie sich Eigenheimerwerber vor Nachforderungen schützen können

Wer ein Haus kaufen will und sich vor späteren Nachforderungen des Herstellungsbeitrags II schützen will, sollte im Kaufvertrag regeln, dass Beiträge, die vor dem Kauf entstanden sind, vom Verkäufer zu tragen sind, und Beiträge, die danach entstanden sind, vom Käufer. Es empfiehlt sich, vom Bauträger zusichern zu lassen, dass das Grundstück voll erschlossen ist. Dann sind die Eigenheimerwerber rechtlich weitgehend auf der sicheren Seite. Im Kaufvertrag sollte nicht das Bescheiddatum in der Frage entscheidend sein. Denn der Bescheid wird an den verschickt, der aktuell im Grundbuch steht.

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