Kein Eigenbedarf bei angespannten Wohnungsmarkt mehr möglich?
Expertentipp vom Hauseigentümerverein Berlin e.V.
Der Mieter kann sich gegen eine Eigenbedarfskündigung zur Wehr setzen. Dies sogar dann, wenn er den Eigenbedarf des Vermieters an sich gar nicht bestreitet. Worauf es dabei ankommt, lesen Sie hier.
Gesetzliches Widerspruchsrecht gegen die Vermieter-Kündigung
Der Mieter kann einer ordentlichen Kündigung (z. B. Eigenbedarfskündigung) widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder Haushaltsangehörige eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 574 BGB). Liegt eine solche „unzumutbare Härte“ vor, kann der Mieter also die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Damit wehrt der Mieter dann auch eine an sich begründete Eigenbedarfskündigung ab. Bei der Frage, ob eine „unzumutbare Härte“ für den Mieter vorliegt, sind u. a. die konkreten Lebensumstände des Mieters zu bewerten. Gegen eine fristlose Kündigung (z. B. wegen Mietrückstands) ist kein Widerspruch nach § 574 BGB möglich.
Form und Frist des Widerspruches
Was zu beachten ist, regelt § 574 BGB:
- der Widerspruch ist schriftlich zu erklären und auf Verlangen des Vermieters sind die Gründe des Widerspruchs unverzüglich zu benennen
- der Widerspruch muss spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses erklärt worden sein
Ausnahme: Hat der Vermieter den Mieter nicht rechtzeitig vor Ablauf der Widerspruchsfrist auf die Möglichkeit des Widerspruchs sowie Form und Frist hingewiesen, so kann der Mieter den Widerspruch noch im ersten Termin des Räumungsrechtsstreits erklären.
Härtegründe: hohes Alter, Krankheit, Suizidialität, Schwangerschaft
Ein hohes Alter des Mieters, auch in Verbindung mit langer Wohndauer, stellt grundsätzlich keine Härte im Sinne des Gesetzes dar. Von einer Räumungsunfähigkeit kann aber ausgegangen werden, wenn sich der Gesundheitszustand des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtern würde. So haben Gerichte entschieden, dass eine 90 jährige Mieterin nach 43 jähriger Mietzeit und latenter Suizidialität nicht ausziehen muss; auch ein 79 jähriger Mieter, der herzkrank und gehbehindert ist, durfte in seiner Mietwohnung bleiben. Steht die Bewohnerin kurz vor der Niederkunft, ist dies ebenfalls als unzumutbare Härte i. S. d. § 574 BGB anzusehen. Es wird eine längere Räumungsfrist (Zeitpunkt Entbindung zzgl. Schonzeit für Mutter & Kind zzgl. Zeit für Wohnungssuche) eingeräumt.
Härtegrund: kein angemessener Ersatzwohnraum zu beschaffen
Hierbei handelt es sich um einen im Gesetz (§ 574 Abs. 2 BGB) genannten Härtegrund. Grundsätzlich muss sich der Mieter im gesamten Stadtgebiet, also auch in unattraktiven Stadtteilen, nach einer neuen Wohnung umsehen. Die Beweislast liegt daher beim Mieter, wenn er sich auf die Härteklausel beruft. Er muss nachweisen, dass er sich frühzeitig und nachhaltig um Ersatzwohnraum bemühte.
Der Fall: Berliner Mieterin beruft sich auf Sozialklausel, weil sie keine Wohnung findet
Das Amtsgericht hatte der Räumungsklage des Vermieters in erster Instanz bereits stattgegeben, wogegen die Mieterin in die Berufung ging. Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Sache an das Amtsgericht mit folgender Begründung zurück: Die Mieterin zweifelt den Eigenbedarf an; hierzu ist vollumfänglich Beweis zu erheben. Sollte der Eigenbedarf des Vermieters nachgewiesen sein, habe das Gericht zu überprüfen, ob eine „unzumutbare“ Härte i. S. d. § 574 BGB vorliege. Eine solche nicht zu rechtfertigende Härte könne darin liegen, dass kein angemessener Wohnraum in Berlin zu beschaffen sei. Dafür spreche die Mietenbegrenzungsverordnung (Mietpreisbremse), die in Berlin existiert.
Bei Wohnungsmangel zukünftig keine Eigenbedarfskündigung mehr möglich?
Es stellt sich daher die Frage, ob bei Städten mit angespanntem Wohnmarkt stets eine unzumutbare Härte iSd § 574 Abs. 2 BGB vorliegt. Dann wäre in allen Städten, in denen die Mietpreisbremse existiert, keine fristgerechte Vermieterkündigung wegen Eigenbedarfs mehr möglich. Der Mieter könnte sich auf die Mietpreisbremse berufen, die die Wohnungsknappheit attestiert.
Mieter hat keinen Anspruch auf gleich günstigen Wohnraum
Der Mieter musste bisher darlegen und beweisen, dass er keinen Wohnraum zu angemessenen Bedingungen finden kann. Setzt sich die Ansicht des LG Berlin durch, könnte er sich als Beweiserleichterung auf die „ietpreisbremse berufen. Dann wäre der Vermieter in der Beweispflicht, dass im Stadtgebiet Wohnungen anmietbar sind. Nach einhelliger Meinung muss die Ersatzwohnung nicht gleich günstig sein.
TIPP: Der Vermieter sollte grundsätzlich auf die Widerspruchsmöglichkeit des Mieters hinweisen, da er sonst erst verspätet im Räumungsprozess vom Widerspruch erfährt.
Landgericht Berlin, Urteil vom 25.01.2018, AZ: 67 S 272/17
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