IW-ImmobilienScout24-Index

Gewerbeimmobilienbranche unter Innovationsdruck


Hochstimmung befindet sich im Sinkflug


Besser könnte die Stimmung in der Immobilienbranche eigentlich nicht sein: Von den befragten 81 Immobilienunternehmen bewerten 89,4 Prozent ihre Geschäftslage als hervorragend. Gegenüber dem Vorquartal ist das eine Steigerung von nochmals 0,2 Punkten. Doch der Optimismus trügt. Denn das Immobilienklima hat sich im Vergleich zum Vorjahresquartal merklich von 47,4 auf 41,9 Prozent abgekühlt. Besonders deutlich ist das Barometer bei Projektentwicklern gefallen. Nur noch 41 Prozent bewerten das Geschäftsklima als positiv. Vor einem Jahr waren es noch mehr als die Hälfte. Auch Investoren von Handelsimmobilien blicken zunehmend mit Sorge in die Zukunft. Von den 40,1 Prozent Optimisten im 2. Quartal 2017 sind ein Jahr später 32,4 Prozent übrig geblieben. Betrachtet man dann noch den niedrigen Erwartungswert aller Befragten von gerade einmal 2,1 gegenüber 10,3 Prozent im Quartal zuvor, wird klar: Die Branche geht davon aus, dass sich der Superzyklus dem Ende neigt. Ein Grund dafür ist die erwartete Zinswende.                 

 

Lukrative Kaufobjekte verzweifelt gesucht

Ein Blick auf die Details verdeutlicht die ambivalente Situation: Zwar ist die Zahl derer gestiegen, die im Vorquartal von höheren Immobilienpreisen (Plus 6,2 Prozent) und steigenden Mieten (Plus 3,2 Prozent) in den nächsten 12 Monaten ausgehen. Insbesondere Büroimmobilieninvestoren erwarten Zuwächse von 13,6 bzw. 9,2 Prozent. Zeitgleich rechnen jedoch nur noch 67 Prozent damit, dass sich der Transaktionsmarkt beleben wird. Ein Quartal zuvor waren es noch 76 Prozent – der höchste Wert seit dem Launch des IW-ImmobilienScout24-Index im Jahr 2014.

 

Dreht sich die Preisspirale weiter?

Die Kaufzurückhaltung zeigt bereits Wirkung: Wer einmal ein renditestarkes Objekt im Portfolio hat, verkauft es nicht, sondern dreht an dessen Mietpreisschraube. Beispiel München: Mit einer Spitzenmiete von 46,75 €/m² ist die Bayern-Metropole mittlerweile Deutschlands kostspieligster Bürostandort. Doch ob Büromieter weiterhin gewilligt sein werden, Höchstmieten angesichts digitaler Arbeitswelten zu zahlen ist fraglich. Schließlich bieten sich durch sie Alternativen wie Shared Desk-Konzepte, Home Office und Coworking, wodurch Flächen effizienter genutzt  oder gleich ganz eingespart werden können. Die Mieten von Handelsimmobilien sind durch das E-Commerce-Geschäft bereits unter Druck: Nur noch 37 der Befragten gehen in dieser Anlageklasse von steigenden Mietpreisen aus, zuvor waren es 43,3 Prozent. 3,7 Prozent rechnen sogar mit fallenden Mieten.

 

Flächenknappheit lässt Optimismus schwinden

Hinzu kommt die Flächenknappheit in allen Top-Standorten, die ohnehin nur eine begrenzte Anzahl von Projektentwicklungen – und damit Kaufobjekten – zulässt. Infolge dessen gehen nur noch 20 Prozent davon aus, dass sich die Situation in absehbarer Zeit verbessern wird – nie war der gemessene Wert niedriger. Und dann sind da noch die Finanzierungsbedingungen, von denen ebenfalls kaum einer annimmt, dass sie günstiger werden. Alles in allem eine vertrackte Gemengelage, in der jeder überteuerte Neueinkauf ohne langjährige Vorvermietungsverträge zum Risiko wird.

 

Mit steigenden Zinsen wird gerechnet

Die Zinsentwicklung hat die Branche deshalb fest im Blick. Aktuell liegt der Zinssatz für fünf- bis zehnjährige Hypothekendarlehen bei historisch günstigen 1,75 Prozent. Doch die Anzeichen mehren sich, dass die Zinswende in der Eurozone nicht mehr lange auf sich warten lässt. So hat die US-Notenbank im März 2018 damit begonnen, den Leitzins um 0,25 Prozent zu erhöhen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre ultra-expansive Geldpolitik zurückfahren, wenn auch mit angezogener Handbremse, um die robuste Konjunktur nicht zu gefährden.   

Entsprechend vorsichtig ist die Prognose der befragten Immobilienunternehmen: Dass die Zinsen in naher Zukunft nur unmerklich steigen werden, glauben mit 2,3 Prozent die Wenigsten. Die Mehrheit (42,1 Prozent) stellt sich auf einen Zinsanstieg von bis zu 2,25 Prozent ein. Besonders Büroimmobilieninvestoren (60,9 Prozent) halten dieses Szenario für höchst wahrscheinlich, genauso Projektentwickler (35,9 Prozent). Fast 10 Prozent können sich auch eine Zunahme von bis zu 2,5 Prozent vorstellen. Besonders sensibel zeigen sich Handelsimmobilieninvestoren, von denen sich 8 Prozent auf 2,75 Prozent einstellen. Doch selbst wenn die Zinsen dieses Niveau erreichen sollten, liegen sie immer noch deutlich unter dem Wert früherer Jahre, wie beispielsweise vor den Schockwellen der Finanzkrise in 2008, wo der Zinssatz bei rund 5,5 Prozent lag. 

 

Die Zinswende als Impulsgeber?

Vordergründig scheint ein Anstieg um 50 oder 100 Basispunkte verkraftbar. Allerdings würden dadurch die Vorteile niedriger Finanzierungskosten zunichte gemacht. Und da die Zahlungsbereitschaft vieler Investoren ohnehin am Limit ist und sich die Mietpreise vielerorts nur noch bedingt nach oben anheben lassen, geraten immer mehr Immobilienunternehmen unter Kostendruck, je näher die Zinswende rückt und je höher der Zinssprung ausfällt. Viel Spielraum für Anpassungsmaßnahmen haben die Immobilienunternehmen jedoch nicht. Eine Option wäre, die eigene Organisation auf Effizienzen hin zu überprüfen, um mögliches Einsparungspotenzial zu identifizieren. So gesehen, könnte die Zinswende zu Innovationen anregen. Die Zeit dafür ist so oder so überfällig.

 

Innovationsdruck nimmt zu

Während die klassischen Anbieter von Büroflächen abwartet, sind Büromieter längst dabei, die Digitalisierung für das Experimentieren mit digitalen Arbeitswelten zu nutzen: Laut "Digital Office Index 2018" des BITKOM haben bereits 16 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihre Prozesse weitestgehend durchdigitalisiert. Für sie gehören mobiles Arbeiten und Cloud-Services zum Arbeitsalltag. Bei 11 Prozent ist der Digitalisierung überdurchschnittlich fortgeschritten und weitere 40 Prozent liegen im Mittelfeld. Home Office wird bereits von 11 Prozent der Beschäftigten genutzt. Außerdem geht jedes zweite Unternehmen davon aus, dass die Zahl seiner Home Office-Mitarbeiter in den nächsten fünf bis zehn Jahren steigen wird. Darüber hinaus setzen expansionsfreudige Coworking-Anbieter wie WeWork die traditionellen Büroimmobiliendienstleister unter Zugzwang. 237 Dependancen hat der Trendsetter bereits weltweit, 4 davon in Deutschland (1 x Berlin, 1 x Hamburg, 2 x Frankfurt). Hingegen hat die Immobilienbranche bislang kaum pfiffige Lösungen für die Veränderungen im Bürobereich gefunden, auch nicht für das Shopping-Segment. Und der Themenkomplex Smart Building fristet ein Nischendasein. Diese Mutlosigkeit könnte in Zukunft teuer werden. 

 

Wer nicht digitalisiert, verliert

Vielleicht steckt in der Zinswende also mehr disruptives Potenzial als in jedem PropTech. Denn wenn die höheren Finanzierungskosten nicht mehr durch Mietzuwächse ausgeglichen werden können, geraten früher oder später die Arbeitsabläufe in den Immobilienunternehmen selbst in den Fokus. Wer frühzeitig über digitale Prozesse – und noch besser: digitale Geschäftsmodelle – verfügt, ist gerüstet für die Zukunft. Wer indes zaudert, an den wird sich in wenigen Jahren niemand mehr erinnern. Oder kennt noch jemand Nokia, Nixdorf oder Kodak?

 

IW-ImmobilienScout24-Index

Der IW-ImmobilienScout24-Index wurde gemeinsam von ImmobilienScout24 Gewerbeflächen und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) entwickelt. Dabei werden vierteljährlich ca. 100 Unternehmen zu ihrer konjunkturellen Lage befragt. Die aktuelle Sonderfrage adressierte das Thema durchschnittliches Zinsniveau für das Jahr 2019.