Juni 2015

Zinswende oder Zinsschwankungen?

11. Juni 2015 – Zinskommentar von Prof. Dr. Steffen Sebastian

Alle Marktteilnehmer rätseln, ob die Zinsen jetzt nach oben gehen. Die Unsicherheit ist groß.

Das Thermometer des Zinsmarktes ist seit einiger Zeit die Rendite deutscher Staatsanleihen. Nachdem Deutschland sich zwischenzeitlich zu Negativkonditionen verschulden konnte, lag die Rendite zehnjähriger Papiere am 10. Juni 2015 erstmals in diesem Jahr wieder über 1 Prozent. Entsprechend sind auch die Konditionen für Bauzinsen in den letzten Wochen weiter angestiegen.

Der Grund für den Zinsanstieg ist zunächst noch einfach nachzuvollziehen: viele Investoren haben Staatsanleihen verkauft, was  die Kurse sinken lässt. Die Erträge dieser Staatsanleihen sind über die gesamte Laufzeit festgelegt. Somit steigt die Rendite für neue Anleger, wenn die Kurse sinken.

Nicht ganz so einfach ist es, die Motive der Verkäufe nachzuvollziehen. Die EZB hat angekündigt, weiterhin im geplanten Umfang Staatsanleihen aufzukaufen, um auch die langfristigen Zinsen niedrig zu halten. Es spricht nichts dafür, dieser Ankündigung keinen Glauben zu schenken. Dennoch vermuten viele Marktteilnehmer offensichtlich, dass der leichte Anstieg der Inflation und erste Anzeichen für mögliche Verbesserung der Konjunktur im Europäischen Währungsraum langfristig wieder zu höheren Zinsen führen werden. Wenn das stimmt, dann wäre dies in der Tat der beste Moment, um Staatsanleihen zu verkaufen.

Zinsentwicklung

Für alle Laufzeiten werden steigende Zinsen beobachtet. Die fünfjährigen Zinsangebote sind in den letzten zwei Wochen im Durchschnitt erneut von 1,10 auf 1,18 Prozent gestiegen. Auch zehnjährige Konditionen stiegen von 1,49 Prozent auf 1,49 Prozent gestiegen. Für fünfzehnjährige Zinsbindungen werden nunmehr 1,98 statt 1,83 Prozent angeboten.

Ausblick

Eine Prognose des zukünftigen Zinsniveaus war noch nie einfach. Im Moment kommt hinzu, dass die Meinungen der Analysten sehr weit auseinanderliegen: die Schätzungen liegen nach einem Bericht des Handelsblatt zwischen 0,05 und 1,5 Prozent.  Aus der Sicht institutioneller Kapitalanleger sind dies sehr große Unterschiede. Entsprechend herrscht nur Einigkeit darüber, dass größere Schwankungen erwartet werden. Aus der Sicht eines Immobilienbesitzers mit Finanzierungswunsch ist der Unterschied jedoch nicht ganz so groß. Mit steigenden Zinsen sollte daher gerechnet werden, mit hohen Zinsen noch nicht.