Mieter, die eine Privatinsolvenz anmelden, können aufgrund der damit verbundenen Kündigungssperre nicht gekündigt werden. Nun hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil entschieden: Das gilt nicht in allen Fällen.

Meldet ein Mieter beim Insolvenzgericht ein Verbraucherinsolvenzverfahren (Privatinsolvenz) an, so hat das für den Vermieter meist unangenehme Folgen: Er muss um ausstehende Mieten bangen und kann in der Regel auch das Mietverhältnis wegen Mietverzugs nicht mehr kündigen.

Ziel und Voraussetzung eines Privatinsolvenzverfahrens

Kann eine Privatperson ihre Schulden nicht mehr bezahlen, bleibt als letzter Ausweg oft nur noch der Antrag auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren vor dem zuständigen Insolvenzgericht. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Verfahren überschuldeten Personen die Möglichkeit geben, nach einer Wohlverhaltensphase durch eine Restschuldbefreiung schuldenfrei zu werden.

Der Antrag auf Privatinsolvenz wird in der Praxis vom Schuldner gestellt. Mit dem Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen an einen Treuhänder. Die Einzelzwangsvollstreckung einzelner Gläubiger wird unzulässig. Der Schuldner muss dann auf eine Dauer von sechs Jahren ab Eröffnung sein pfändbares Arbeitseinkommen oder vergleichbare Bezüge an den Treuhänder abtreten und bestimmte Obliegenheiten erfüllen. Erst nach dieser „Wohlverhaltensperiode“ wird vom Gericht eine Restschuldbefreiung erteilt und das Insolvenzverfahren eingestellt.

Welche Folgen hat die Privatinsolvenz des Mieters für den Vermieter?

Im Insolvenzeröffnungsverfahren gibt es eine Vorschrift, die für die Wohnraummiete Bedeutung hat (§ 112 InsO). Diese Vorschrift betrifft Mietverträge, in denen der Schuldner Mieter ist. Sie schränkt die Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters ein. Der Vermieter kann nach dem Insolvenzantrag den Mietvertrag nicht mehr wegen eines Zahlungsverzugs kündigen, der aus der Zeit vor dem Antrag stammt. Auch Kündigungen wegen Vermögensverschlechterung des Mieters sind dann für den Vermieter gesperrt.

Mietvertragliche Forderungen für die Zeit bis zur Eröffnung sind bloße Insolvenzforderungen (§ 108 Abs. 3 InsO). Der Vermieter kann sie nur zur Insolvenztabelle anmelden und hat allenfalls eine geringe Quote zu erwarten. Insolvenzforderungen unterliegen der Restschuldbefreiung (§ 286 InsO). Forderungen für die Zeit nach der Eröffnung sind dagegen Masseforderungen (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO) und werden vorrangig beglichen.

Urteil des Bundesgerichtshofs zur Kündigungssperre

In einem Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in einer bestimmten Situation die außerordentliche Kündigung für ausstehende Mieten vor Beginn des Insolvenzverfahrens zulässig ist. In dem konkreten Fall hatte der Mieter in den Monaten März 2009 bis Oktober 2012 keine oder nur einen Teil der Miete gezahlt. Auf Antrag des Mieters wurde am 17. Juni 2010 das Verbraucherinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die Treuhänderin erklärte am 1. Juli 2010 die "Freigabe" des Mietverhältnisses. Die Freigabeerklärung bewirkt, dass das Mietverhältnis nicht mehr massebefangen ist, sondern in die Verfügungsbefugnis der Vertragsparteien zurückfällt, sodass eine Kündigung grundsätzlich möglich ist.

Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis im Oktober 2012 unter Berufung auf seit März 2009 aufgelaufene Mietrückstände in Höhe von insgesamt 14.806,36 Euro fristlos. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Kündigungssperre (§ 112 Nr. 1 InsO) mit Wirksamwerden der Freigabeerklärung nach (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO) entfällt und eine außerordentliche Kündigung auch auf Mietrückstände gestützt werden kann, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind.

(BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 - VIII ZR 19/14)

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