Das Abstraktionsprinzip ist ein Grundsatz des deutschen Zivilrechts und besagt, dass bestimmte Vorgänge bei Rechtsgeschäften zu trennen sind. Als Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wurde es Anfang des 20. Jahrhunderts in die deutsche Rechtsprechung integriert. Grundsätzlich besagt das Abstraktionsprinzip, dass bei einem Rechtgeschäft zwischen dem Verpflichtungsgeschäft, beispielsweise dem Kaufvertrag, und dem Verfügungsgeschäft, also der Übergabe des Vertragsgegenstandes in den Besitz des Käufers, zu unterscheiden ist. Das Abstraktionsprinzip soll als Teil des sogenannten Trennungsprinzips für mehr Sicherheit im Rechtsverkehr sorgen, indem Verpflichtung und Verfügung auch in den Rechtsfolgen voneinander getrennt werden.

Das Abstraktionsprinzip in der Immobilienwirtschaft

Das Abstraktionsprinzip ist im deutschen Rechtsverkehr verankert und kommt dadurch auch bei Immobilienkäufen zum Tragen. Möchte Person A eine Immobilie von Person B erwerben, so wird ein Kaufvertrag geschlossen. Dabei handelt es sich um ein Kausalgeschäft oder auch Verpflichtungsgeschäft. Person A und B verpflichten sich, gegenseitig zu leisten. Die Übergabe der Immobilie in den Besitz von Person A sowie die Zahlung des Kaufpreises an Person B ergeben sich also aus dem Verpflichtungsgeschäft. Auf Grundlage des Kaufvertrages wird die Immobilie dann erst in den Besitz von Person A übergeben – diese Handlung entspricht dem abstrakten oder auch Verfügungsgeschäft. Diese Trennung der Rechtsgeschäfte ist hilfreich, um den Zeitpunkt für bestimmte Handlungen festzulegen. So kann beispielsweise vereinbart werden, dass die Immobilie erst dann in den Besitz von Person A wechselt, wenn Person B die Zahlung des Kaufpreises empfangen hat. Entsprechend findet man bei Käufen auf Rechnung oftmals den Vermerk „Bis zur vollständigen Zahlung gehört die Ware der Firma XY“.

Kritik am Abstraktionsprinzip

Kritiker des Abstraktionsprinzips bemängeln zumeist die künstliche Aufspaltung eines alltäglichen Vorgangs wie dem Kauf eines Gegenstandes. Manche Rechtsexperten fordern, dass die Übereignung nur dann Wirksamkeit hat, wenn der Kaufvertrag wirksam ist. So könne auch bei nicht geleisteter Zahlung die Übertragung des Eigentums verlangt werden, falls diese nicht ausdrücklich im Kaufvertrag ausgeschlossen ist. Auch im Zuge der Vereinheitlichung von EU-Zivilrechtsordnungen wird das Abstraktionsprinzip kritisiert, zumal Deutschland und Estland dieses als einzige EU-Länder anwenden.

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